Golfplatz oder Hinterhof?

Was macht man sich als Vater nicht alles für Gedanken: Was wohl aus dem Bub mal wird? Ein begnadeter Konzertpianist? Ein kreativer Schreiner? Ein überbezahlter Profikicker? Oder vielleicht sogar ein echter Golfer? Heute greife ich mal ins Archiv. Diese Story unter dem Titel "Golfplatz oder Hinterhof?" habe ich vergangenes Jahr für das Österreichische Golf-Lifestyle-Magazin Perfect Eagle geschrieben. Gedankenspiele, die immer noch aktuell sind. Du bist auch Vater sportbegeisterter Kinder? Dann wirst Du mich verstehen. Hoffe ich.

Völlig durchgeschwitzt schrecke ich nachts auf. Ein Blick auf den Wecker: Es ist gerade einmal halb zwei. Viel zu früh, um aufzustehen. Einschlafen ist jetzt gerade aber auch nicht mehr so einfach. Ich liege lange wach und mache mir Gedanken. Und es läuft immer und immer wieder dieser Film vor meinen Augen ab. Mein Sohn in einen hautengen Gymnastikanzug gepresst, akrobatisch im Handstand auf dem Rücken des Pferdes. Der Reporter im Fernsehen erzählt völlig euphorisch etwas von noch nie dagewesener Eleganz und der Überlegenheit eines Mannes in einer Welt, die eigentlich seit Jahrzehnten von Frauen dominiert wurde. Echte Männerängste. Echte Väterängste.

 

Es ist leise im Kinderzimmer nebenan. Moritz schläft friedlich, dreht sich. Das Bett knarzt. Ich bin erleichtert. Alles wie immer. Fürs Erste zumindest. Die Sache mit dem Voltigieren war nur ein Traum. Ein Alptraum. Was ist nur schiefgelaufen, denke ich mir? Ich lese viel und an guten Tagen sogar Erziehungs- und Familienzeitschriften. Der Sohn strebe immer nach der Anerkennung des oft unnahbaren Vaters und werde versuchen, sich so zu verhalten, dass er den Vater damit für sich gewinnt. Quasi als größten Fan. Das stand da damals genau so in einem dieser Hefte. Mit einem Kind kommt viel Verantwortung auf einen Vater zu. Das kann ich nach gut dreieinhalb Jahren unterstreichen. Erst geht es ums wohlbehütete Aufwachsen, dann ums richtige Benehmen und etwas später einmal um gute Leistungen in der Schule. Um echte Freunde, den ersten Liebeskummer, wahrscheinlich sogar den ersten Rausch.

Ich müsste wohl damit beginnen, ihn zu bekehren ...

Diese Verantwortung ist aber noch viel größer, wenn es um Sport geht. Um den Sport. Den besten und schönsten, den Lieblingssport des Vaters. Schon jetzt habe ich Angst davor, der Sohnemann könnte später einmal den verhassten Lokalrivalen gut finden. Über dem Bett im Kinderzimmer den Schal des Vereins aufhängen, gegen den Papa in seiner Sturm-und-Drang-Phase noch Woche für Woche im Gästefanblock lauthals Schmähgesänge angestimmt hat. Ab und zu muss das wohl so kommen, weil mancher eben, ob er das will oder nicht, genau das Gegenteil von seinem Vater wird.

Man kann sich im Leben vieles aussuchen. Aber nicht seine Familie, auch nicht den Lieblingsverein und nicht die Lieblingssportart. Das ist Sache der Gene. Wie die Farbe von Haaren und Augen. Das ist in diesem Fall aber genau die Wurzel allen Übels. Meine Eltern haben mich als Kind nicht gebremst. Da wurde munter drauf los probiert. Alles, worauf ich Lust hatte. Basketball und Schießen, Handball, Fußball, Tennis und Tischtennis. Später an der Uni auch noch Eishockey, Langlaufen und Feldhockey. Und vor zehn Jahren habe ich mich mit dem Golf-Virus infiziert. Wenn das doch alles so einfach wäre. Was macht man also als verantwortungsbewusster Vater? Man versucht, dem Buben schon in jungen Jahren sanft die eigenen Vorlieben ins Unterbewusstsein zu zementieren.

 

Sein erstes Golfbag, ein Geschenk meiner Mutter, hatte Moritz schon neben dem Stubenwagen stehen, da war er gerade einmal zwei Wochen alt. Zu einer ordentlichen Grundausstattung gehören inzwischen außerdem: ein Mini-Fußball, das Trikot von Papas Lieblingsklub, ein Handball für kleine Kinderhände, ein Fan-Schal des örtlichen Eishockeyteams - und eine ausrangierte Waschmaschine. So eine, wie sie auch bei den McIlroys vor gut zwei Jahrzehnten im Keller stand. Der gute Rory, heute immerhin einer der besten Golfer der Welt, vertrieb sich die Zeit auf der Driving Range, während sein Vater Gerry als Barkeeper im benachbarten Golfclub arbeitete. Er schlug den Ball schon als Zweijähriger knapp 30 Meter weit. Und daheim chippte er geduldig die kleinen Kugeln in die Trommel der Maschine. Mein Kleiner macht hingegen noch einen großen Bogen um die Waschmaschine, will höchstens mal den Schraubenzieher ansetzen. Also doch Fußball? Bei der grundsätzlichen Auswahl der Sportart haben die Eltern sowieso wenig mitzureden. Es kommt auch darauf an, wo die Talente des Kindes liegen. Momentan mag Moritz noch alles. Wirklich alles. Eishockey, weil er mit mir ins Stadion geht. Fußball, weil das immer im Fernsehen kommt. Handball, weil der Verein im Nachbarort einen so niedlichen Bären als Maskottchen hat. Als Biathlet baut er sich aus Legosteinen ein eigenes Gewehr. Als kleiner Skispringer liegt sein Schanzenrekord derzeit bei knapp halber Teppichlänge. Das Wohnzimmer ist seine Arena.

Ausgesorgt, den Whisky in der Hand, die Sonne im Gesicht

Keine Frage, ich mag diese Sportarten alle. Jede hat ihren besonderen Reiz. Aber mir als Vater wäre Golf dann doch am liebsten. Bei einer Golfmesse habe ich mich vor Kurzem dabei ertappt, wie ich neu entwickelte Super-Putter und modernde Trainingshilfen links liegen ließ und stattdessen ausgiebig die Größentabelle der Kinderschläger studiert habe. Golf ist doch so gut für den Kopf und die Konzentration in der Schule und später im Leben. Noch dazu wüsste ich, dass er gut aufgeräumt wäre. Golfplatz statt Hinterhof. Ein Gedanke, der für Eltern immer eine große Rolle spielt. Wäre das nicht wunderbar, mit ihm eines Tages 18 Loch zu spielen, gemeinsame Stunden zu verbringen und dabei offene Vater-Sohn-Gespräche zu führen? Mit ihm einen gelungenen Drive oder den Birdie-Putt zu feiern, die Fäuste zu ballen, die Freude nach draußen zu brüllen und sich gegenseitig abzuklatschen? Mit ihm ein paar Jahre später um das nächste Bier im Clubhaus zu zocken? Wäre das nicht wunderbar, sich im Lebensalter gelassen zurücklehnen zu können? Ausgesorgt, den Whisky in der Hand, die Sonne im Gesicht und die nächste Siegprämie des Filius auf dem Konto.

Ich bin meinen Liebsten dankbar dafür, dass sie in solchen Momenten ganz entschieden auf die Euphoriebremse treten und mich unsanft aus solchen Träumen reißen. Übertriebener Ehrgeiz der Eltern und so. Führt sowieso immer in die falsche Richtung.

Was Profi-Golfer Markus Brier dazu meint:

Golf ist perfekt für Kinder, weil es im Gegensatz zu anderen Sportarten ein bisschen ruhiger ist. Für Golf braucht man eine gewisse Ausgeglichenheit und Demut. Wenn man das lernt, ist es auch für die gesamte Entwicklung des Kindes gut. Ob der Sohn später einmal als Golf-Profi die Rente des Vaters finanzieren kann, kommt auf den Lebensstil beider an! Auf der PGA-Tour reicht dafür vielleicht schon ein Turnier aus, auf der Alps-Tour braucht es eher 100 Siege.“

Fotos: Schöttl (2), Brier privat