Weil's daheim einfach am schönsten ist

Corona-Frust statt Urlaubslust! Lange Zeit waren die Grenzen geschlossen, es herrschte Stillstand im Luftverkehr. Weltweite Reisewarnungen gibt es für manche Länder noch immer. „Urlaub daheim“ heißt das Heilmittel im Jahr 2020. Ist das so? Der Mensch braucht den Kontrast zum Alltag. Ohne Reisen gibt es Entzugserscheinungen. „Reisen hat sich zu einem Grundbedürfnis entwickelt. Bevor das Reisen aufgegeben wird, wird eher in anderen Konsumbereichen gespart“, sagt Tourismusforscher Professor Dr. Jürgen Schmude. Ein Plädoyer für die Heimat.

Urlaub steht nicht im Supermarktregal. Urlaub kann man nicht einfach mal so hamstern. Aber Erinnerungen. Fotos und Souvenirs, die kann man sich für schwierige Zeiten auf Vorrat legen. Das haben wir schon immer gemacht. Nur die technischen Möglichkeiten haben sich geändert. Früher hat Papa den Diaprojektor aus dem Schrank gekramt, dann wurden Fotobücher erstellt. Und heute schicken wir in den sozialen Netzwerken und auf den Smartphones massenweise Bildchen hin und her. Mein Strand. Mein Hotelzimmer. Mein Golfplatz. Mein Abendessen. „Reisen hat sich in den letzten Jahren zu einem Grundbedürfnis entwickelt. Bevor das Reisen aufgegeben wird, wird eher in anderen Konsumbereichen gespart“, sagt Tourismusforscher Professor Dr. Jürgen Schmude von der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Kaum etwas ist den Menschen wichtiger als ihre Mobilität. Das wurde vielen in den vergangenen Monaten auf schmerzliche Weise bewusst gemacht. Das Leben, alle unsere Planungen und Visionen wurde jäh ausgebremst von Covid-19. Ein Virus, das gerade einmal 150 Nanometer, also 150 Millionstel Millimeter, klein ist, wurde zum Diktator dieser Welt. Geschlossene Grenzen, Stillstand im Luftverkehr, Ausgangssperren und weltweite Reisewarnungen. Nichts ging mehr. Plötzlich war ein Zitat des französischen Gelehrten Blaise Pascal aus dem 17. Jahrhundert ganz aktuell, der sinngemäß seiner Zeit sagte: „Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen. Dann fühlt er seine Nichtigkeit, seine Verlassenheit, seine Unzulänglichkeit, seine Abhängigkeit, seine Ohnmacht, seine Leere.“ Recht hat er! 

Hauptsache weg?

Der Mensch braucht den Kontrast zum Alltag. Ohne Reisen gibt es Entzugserscheinungen. Und die können ganz schön wehtun. Dazu kommt die Ungewissheit. Wie wird der Urlaub 2020? Wie wird er 2021? Können wir überhaupt unbeschwert verreisen, am Strand liegen oder in den Bergen wandern? Die bittere Botschaft der Politiker lautete anfangs noch: Corona macht unseren Sommerurlaub kaputt. Inzwischen ist zumindest dieses Schreckensszenario vom Tisch. „Urlaub daheim“ wird aber noch immer als Allheilmittel schmackhaft gemacht. Aber ist ein Reiseziel für den inneren Frieden einfach so austauschbar? Fühlt sich Urlaub im eigenen Land genauso gut an wie an der Adria oder der Costa del Sol. Hauptsache weg? Tourismusforscher Schmude sagt: „Reiseziele sind nur zu einem gewissen Grad und im Bereich bestimmter Urlaubsarten austauschbar. Zum Beispiel bei sogenannten Warm-Wasser-Zielen.“ Das könnte also auch auf Golfreisen zutreffen. Denn schöne Golfplätze gibt es nicht nur im Süden, sondern auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zuhauf sogar. 

"Urlaub daheim kann nicht die Lösung sein"

Während für die Verantwortlichen in der deutschen Reisebranche die Berge, Ost- und Nordsee, also der Urlaub vor der eigenen Haustür, so etwas wie die letzten Strohhalme in einer wirtschaftlich ohnehin schon verkorksten Saison sind, sagt Thomas Vetsch von Schweiz Tourismus„Urlaub daheim kann nicht die Lösung sein.“ Die Schweizer sorgen zwar schon jetzt für die meisten Übernachtungen im eigenen Land, wie die Deutschen übrigens auch. Sie fahren gerne in kleine Bergtäler, das wiederum kommt  besonders strukturschwachen Regionen zu Gute. Die Schweiz ist schon seit über 150 Jahren eng mit dem internationalem Tourismus verwoben. Die vielen Grand Hotels in den Bergen legen davon Zeugnis ab. Professor Dr. Jürgen Schmude sieht das mit dem „Urlaub daheim“ mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Der Tourismus-Fachmann sagt: „Positiv ist für die eigene Tourismuswirtschaft auf jeden Fall, dass innerhalb Deutschlands durch die Lockerungen wieder gereist werden kann. Allerdings sind wir ein klassisches Outbound-Tourismus-Land. Das heißt, unter normalen Bedingungen gehen rund zwei Drittel der Reisen ins Ausland. Wenn diese Reisenden jetzt alle auf den Inlandsmarkt drängen würden und gleichzeitig aufgrund der Abstandsregelungen nicht alle Kapazitäten im Beherbergungssektor angeboten werden können, kann es zu Engpässen kommen.“ Seine Folgerung: Die heimischen Tourismusmärkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden zwar durchaus von den Lockerungen profitieren, die bisher erlittenen Verluste können dadurch aber nicht kurzfristig kompensiert werden. 

Ist das Glas halbvoll oder halbleer?

Dem Volksmund ist das egal. Der sagt nach wie vor: "Am schönsten ist es doch Zuhause." Das sieht Unternehmer Maximilian Schultz, unter anderem Geschäftsführer der Sportresidenz Zillertal und Vorstandsmitglied im Golfclub Zillertal-Uderns, ganz genauso. „Österreich und vor allem Tirol haben als Golfdestination viel zu bieten und durch die Alpen eine einzigartige Landschaft, die wunderbare Golferlebnisse möglich macht. Jeder, der Golf in den Alpen noch nicht erlebt hat, hat mit Sicherheit etwas verpasst“, sagt er. Die behördlich angeordnete Zwangspause hat natürlich auch im Zillertal Spuren hinterlassen. Doch der Klub hatte gewissermaßen Glück im Unglück: Saisoneröffnung in Uderns war bereits am 15. März, also noch vor dem Lockdown. Die darauffolgenden Wochen haben die Greenkeeper für Arbeiten genutzt, die sonst den Spielbetrieb beeinträchtigen.  

 

Es geht, wie so oft im Leben, auch in der Urlaubsdiskussion 2020 um die grundsätzliche Frage: Ist das Glas halbvoll oder ist es halbleer? Nicht die Dinge machen uns Sorgen, sondern unsere Sicht darauf. So gesehen hat Thomas Vetsch die richtige Perspektive gewählt. Mit geschliffenen Worten eines Marketing-Experten rührt er die Werbetrommel: „Die Schweiz ist immer ein hervorragendes Urlaubsziel für Golfer. Die emotionale Komponente und fantastische Bergpanoramen werden zusammen zu einem unschlagbaren Ganzen.“ Der erwartete Rückgang in der Hotellerie werde zwar auch zu leereren Golfplätzen führen. Demnach hat der Golfspieler in diesem Jahr vermutlich ein bisschen mehr Platz. „Diesen Umstand hätten wir lieber anders. Aber für den einzelnen Golfer kann das in diesem Jahr ein Plus sein“, meint Vetsch. Sein Glas ist fraglos halbvoll. 

Fotos: Stephan Schöttl/alpengolfer.de