„Man muss in diesem Job 140 Prozent geben und darf sich keine großen Fehler erlauben. Sonst heißt es gleich: Das war doch klar.“ Dieser Satz sitzt. Er macht nachdenklich und zeigt, wie ungleich es mitunter in der Arbeitswelt immer noch zugeht. Gesagt hat das Myriam Krüger. Die 33-Jährige ist Geschäftsführerin beim SSV Ulm 1846 Fußball. Sie arbeitet als Frau erfolgreich in einer Männerdomäne wie dem Fußball-Business. Aber was ist eigentlich eine Männerdomäne?
Mal kurz im Internet recherchiert, in der Online-Enzyklopädie Wikipedia nachgeschlagen – und fündig geworden. Dort heißt es im Eintrag zum Begriff Männerdomäne: „Als Männerdomäne werden gesellschaftliche Bereiche beschrieben, die fast ausschließlich von Männern geprägt beziehungsweise beeinflusst werden oder in denen überwiegend Männer tätig sind. Meist bezieht sich der Begriff auf die Arbeitswelt, kann aber auch den Bereich der Freizeitgestaltung und des Ehrenamtes umfassen.“ Zählt dazu eigentlich auch der Golfsport? In der Mitgliederstatistik des Deutschen Golfverbands von 2021 ist das Missverhältnis nicht ganz so gravierend. Von den knapp 674.000 Mitgliedern sind 431.800 männlich, rund 242.200 sind Frauen. Und auf dem Arbeitsmarkt? Da schrillen längst die Alarmglocken. Derzeit sind dem Berufsverband PGA of Germany 2045 Golfprofessionals angeschlossen, lediglich 170 davon sind Frauen. PGA-Sprecher Matthias Lettenbichler sagt: „Gemäß diesen Zahlen ist der Beruf des PGA-Golfprofessionals noch immer eine starke Männerdomäne. Gleichzeitig wissen wir, dass die Clubs sehr gerne weibliche Professionals einstellen. Die Karrierechancen sind für Frauen in diesem Beruf also noch besser, als sie ohnehin schon auch für Männer exzellent sind.“
Familie und Beruf unter einen zu kriegen, ist nicht einfach
Da geht es allerdings schon in der obersten Ebene los. Schon mal Gruppenfotos von Vorstandsitzungen genauer angeschaut? Da gibt es bei Weitem kein Geschlechter-Gleichgewicht. Das Präsidium der PGA of Germany beispielsweise besteht aktuell nur aus Männer. Weil aber nur acht Prozent der PGA-Mitglieder weiblich sind, ist es generell gar nicht so einfach, eine Frau für die Mitarbeit im Vorstand zu finden. Im internationalen Vergleich ist die Frauenquote bei den Professional-Verbänden sogar noch niedriger. In Großbritannien sind nur vier Prozent der PGA-Professionals Frauen. Die Verbände haben das längst erkannt und entwickeln mittlerweile auf nationaler und internationaler Ebene Projekte, die insbesondere Mädchen und Frauen für den Golfsport und auch die entsprechenden Berufsfelder begeistern sollen. Generell sind die Voraussetzungen aber schon grundlegend anders. Eine echte Herausforderung, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Durch Familienplanung und die entsprechenden Arbeitszeiten in der Golfbranche gibt es beispielsweise kaum Frauen zwischen 30 und 40 Jahren an der Spitze eines Golfclubs. Von den Trainerposten ganz zu schweigen.
Sie war die beste deutsche Proette auf der LET
„Ich habe darauf selbst keine Antwort“, sagt Ann-Kathrin Lindner. Die 34-Jährige ist seit vielen, vielen Jahren eine dieser starken Frauen im deutschen Golfsport. 2010 wurde sie für den Nationalkader nominiert, kombinierte den Leistungssport anfangs mit einer Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau im Burgdorfer Golfclub. Dann wechselte sie in den Golf Club St. Leon-Rot – und startete auf der Ladies European Tour (LET) als Profi-Spielerin durch. 2013 und 2014 war Lindner beste deutsche Proette auf der LET, hinter den beiden Olympia-Golferinnen Caroline Masson und Sandra Gal sogar die drittbeste Deutsche der Welt. Dann folgten eine hartnäckige Verletzung und schließlich der Abschied von der Tour. 2018 begann Lindner die Ausbildung zum Fully Qualified Golfprofessional in St. Leon-Rot. „Für mich war das damals ein schöner, ein logischer Schritt. Ich wusste, wenn das auf der Tour nicht mehr klappt, gehe ich den Weg als Teaching Proette“, erzählt sie. Täglich Golferinnen und Golfern dabei zu helfen, ihre Ziele zu erreichen, sei eine erfüllende Aufgabe. Der geht sie inzwischen wieder in ihrem Heimatclub in Burgdorf nach. Aber zurück zur Ursachenforschung. Lindner meint: „Grundsätzlich spielen weniger Mädchen als Jungen Golf. Dass weniger Mädchen den beruflichen Weg als Pro gehen, mag daran liegen, dass sie sich zum einen weniger mit der Technik auseinandersetzen als Jungs und die Barriere ‚gesetzte‘ Menschen zu coachen als zu groß ansehen.“
Wer ist der bessere Golftrainer: die Frau oder der Mann?
Hätten wir das also geklärt. Doch die Fragen gehen bei diesem Thema nicht aus. Wer ist denn nun der bessere Golftrainer: die Frau oder der Mann? Lindner meint lachend: „Gute Frage, die habe ich mir auch schon öfter gestellt.“ Allerdings ohne eine konkrete Antwort darauf zu finden. Zum Kreis ihrer Schülerinnen und Schüler jedenfalls zählen auch viele Männer. Rentner, junge Golfer, die ganze Bandbreite. „Und warum entscheiden die sich für mich und nicht für meinen Kollegen“, fragt Lindner. Es liege wohl an ihrer Expertise. An der vielen Erfahrung, die sie auf der Profi-Tour gesammelt hat. Und am Respekt vor ihrer Person. Es gebe kaum Skepsis, vieles sei im Verhältnis Spieler-Trainer Vertrauenssache. „Das ist wie in der Schule bei Lehrer und Schüler. Ich bin anpassungsfähig, kann mich sehr gut einstellen. Sprachlich und charakterlich“, erzählt die 34-Jährige.
Wenn man sich mit Lindner über den Golfsport und speziell ihren Job als Teaching Proette unterhält, merkt man mit jedem Wort, mit jeder Geste: Diese Frau brennt für den Golfsport. Sie geht jeden Tag Beruf und Berufung gleichermaßen nach. Und sie wünscht sich sehnlichst, dass sich künftig auch mehr Golferinnen für diesen Weg entscheiden. „Denn der Beruf der Golflehrerin ist wunderschön. Ich mag die Dankbarkeit der Leute, wenn sie nach einer Stunde bei mir ein gutes Turnier gespielt haben. Das macht mich glücklich. Man ist auch ein bisschen Animateur und Entertainer. Es wird eigentlich nie langweilig“, erzählt sie. Und sie steht zu 100 Prozent zu diesem Plädoyer.
Im Sport wird viel über Equal Pay diskutiert
Das Statistische Bundesamt in Deutschland hat sich vor einiger Zeit mit einer Klassifikation der Berufsgruppen beschäftigt. Von den dort erfassten Bereichen, insgesamt 138, weisen nur fünf einen Frauenanteil von über 90 Prozent auf. Im Vergleich sind es 26 Berufe mit einem ähnlich hohen Männeranteil. Erwerbsstätige Frauen konzentrieren sich demnach auf einige wenige Bereiche, bei Männern ist das berufliche Spektrum deutlich größer. Und selbst wenn sich eine Frau einen männerspezifischen Beruf ausgesucht hat, wandert sie später tendenziell eher in eine Frauenbranche ab, als es umgekehrt der Fall ist. Möglicherweise liegt das auch an der Bezahlung. In kaum einem Bereich wird das Thema Equal Pay, also die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern, so sehr diskutiert wie im Sport. Meistens sind Frauen vor allem bei der Auszahlung von Preisgeldern noch deutlich unter Männer-Niveau unterwegs.
In den USA ist man in Sachen Gleichberechtigung bei der Bezahlung bereits einen großen Schritt weiter als hierzulande. Die Spielerinnen des US-Fußball-Nationalteams zum Beispiel sollen künftig die gleichen Prämien wie die Männer erhalten. Nach jahrelangem Streit. Auch auf den Profi-Touren der Golferinnen und Golfer geht die Verdienstschere zwischen Frauen und Männer noch weit auseinander. Zum Teil beträgt die Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern fast 80 Prozent. In ihrem jetzigen Job hat Ann-Kathrin Lindner keinen finanziellen Nachteil mehr im Vergleich zu ihren männlichen Mitstreitern. Sie ist selbstständig, ruft ihre eigenen Tarife auf. „Und das sind dieselben wie bei den Pros“, sagt sie. Das Buchungssystem gibt ihr recht: Lindners Stundenplan ist voll. Nicht, weil sie eine Frau ist. Es ist eine Frage der Qualität.