Goldene Zeiten in Chieming

Ausgerechnet die alte Linde hat es erwischt. Der letzte Sturm hat sie arg mitgenommen. Und dabei ist dieser Baum doch der große Stolz des Golfclubs Chieming, eines der schönsten und vor allem das älteste Exemplar seiner Art im Landkreis Traunstein. Fast 400 Jahre alt, 25 Meter hoch. Im Geäst war früher sogar einmal ein Tanzboden eingebaut. Dass ein so besonderer Baum nicht auf einem der typisch oberbayerischen Dorfplätze in der Region steht, sondern mitten auf einem Golfplatz, scheint in Chieming kein Zufall zu sein. Ich habe die Anlage besucht.

Das Zusammenspiel von Golf und Natur wird hier seit vielen, vielen Jahren großgeschrieben. Der Klub zählte im Jahr 2007 zu den ersten Anlagen, die sich am Umweltprogramm des Deutschen Golfverbands beteiligt haben, zwei Jahre später wurde er als einer von damals zwölf Anwärtern in Bayern mit dem goldenen GOLF&NATUR-Zertifikat ausgezeichnet. Viele Ehrenamtliche packen im Hintergrund mit an, größtenteils ist es aber ein Verdienst von Andrew Foyle, Headgreenkeeper der Golfanlage. „Ich bin schuld daran, dass wir mit GOLF&NATUR angefangen haben“, meint er lachend. Der gebürtige Ire ist ein Glücksfall für den GC Chieming. Er hat in Australien, in den USA und eine Saison lang sogar im legendären St. Andrews gearbeitet. Ende 1985 trat er in Oberbayern seinen Dienst an. „Eigentlich wollte ich nur für fünf Jahre bleiben und ein bisschen den Entwicklungshelfer spielen. Dann wurde mehr daraus“, erzählt er. Über 30 Jahre sind es inzwischen geworden. Seltene Treue in der Golfbranche!

Eine Ire mit dem Faible für die bayerische Natur

Immer wieder führt er Besuchergruppen über die 74 Hektar große Anlage östlich des Chiemsees, dem drittgrößten See in Deutschland. Foyle zeigt Schülern, Naturschützern, örtlichen Parteien und Vertretern von Behörden gerne sein kleines Paradies. Dazu zählen neben Grüns und Fairways, Rough und Wasserhindernissen auch Wiesen, Gehölze, Trainings- und Nebenflächen. Die meisten Besucher sind überrascht, dass es auf der Anlage eine solche Vielfalt in Flora und Fauna gibt. Zwei Bereiche sind ihm besonders wichtig: das Thema Wasser und die Pflanzenwelt.



Als der Platz von 2004 bis 2006 vom bekannten Golf-Architekten Thomas Himmel redesigned wurde, wurden unter anderem zwei neue Teiche angelegt. „Wir haben damals zum Beispiel Flusskrebse eingesetzt. Sie haben an dieser Stelle geschützten Lebensraum und gedeihen seitdem prächtig“, erklärt der Headgreenkeeper. Und sie erfüllen ganz nebenbei einen weiteren Zweck: Die Krebse kontrollieren quasi die Wasserqualität. „Um zu überleben, brauchen sie sauberes, sauerstoffhaltiges Wasser. Das wird bei uns durch die Randbepflanzung gewährleistet“, sagt Foyle. Auch Drainagen wurden neu eingebaut. Das, erläutert Clubmanager Stephan Vogl, bringe einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Anlagen in der Region. „Unser Platz ist daher auch nach starkem Regen wieder schnell bespielbar“, meint er.

 

Erneut Gold bei GOLF&NATUR

Rund 750 Mitglieder hat der Klub derzeit. Stephan Vogl hat das Ziel, ihnen und den Gästen ein „hohes Spielniveau anzubieten“. Er sagt: „Wir wollen die 4-Sterne-Plus-Anlage unter den Golfplätzen in der Region sein.“ Der Platz selbst entspricht diesen eigenen Ansprüchen. Die Grüns sind schnell, onduliert und mit durchschnittlich 560 Quadratmetern recht groß. Taktisch platzierte Bunker und über 900 Bäume – darunter zahlreiche Obstbäume - machen es der Golferin und dem Golfer nicht einfacher, zudem gibt es insgesamt fünf Teiche, die mal als frontale, mal als seitliche Wasserhindernisse ins Spiel kommen. Über den 18-Loch-Meisterschaftskurs hinaus gibt es die „Super Seven“, sieben kürzere Spielbahnen, auf denen sich Anfänger ausprobieren und Fortgeschrittene verbessern können. Man muss sich eben auch in einer der beliebtesten Urlaubsregionen Deutschlands etwas einfallen lassen, um für Neugolfer interessant zu sein. Die Altersstruktur ist auch hier problematisch, der Nachwuchs trainiert zwar eifrig, junges Klientel wird dennoch händeringend gesucht. Ein Ballungszentrum gibt es nicht, München ist gut 100, Salzburg knapp 60 Kilometer entfernt. Vogl sagt: „Wir müssen mit den Bergen und unserer Natur punkten und sollten uns dabei aber auch ständig hinterfragen, ob wir ordentlich mit unseren Ressourcen umgehen.“ Das Konzept scheint aufzugehen. Denn genau das wurde dem Golfclub Chieming jüngst im Zuge des Gold-Re-Audits GOLF&NATUR erneut bescheinigt: eine ordnungsgemäße, umweltbewusste und nachhaltige Betriebsführung.

 

 

Fotos: Stephan Schöttl