Die Lizenz zum Duzen

Beim Golfen gibt es die Lizenz zum Duzen. Weil man meistens unter Freunden oder zumindest unter Gleichgesinnten ist. Aber, darf der Ferdl mich auch duzen, wenn er mich eigentlich gar nicht kennt? Ich kann mich noch gut erinnern, wie spannend es war, als man in der Kollegstufe plötzlich von dem einen oder anderen Lehrer gesiezt wurde. Und heute? Heute finde ich das Du schon fast eine Art Lebenseinstellung. Ganz und gar nicht despektierlich. Ist es einfach nur eine Generationen-Frage?

Das mit dem Duzen ist aber gar nicht so einfach. Ich erinnere mich noch an eine Schlagzeile der "Bild"-Zeitung. Berauscht vom Wir-Gefühl der Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land stellte diese im Sommer vor 13 Jahren ihren Lesern die Frage: "Wollen wir uns alle duzen?" Eine nette Vorstellung. Was haben´s da die Schotten gut. Die haben ihr you. Und das ist quasi universell einsetzbar. Man merkt nicht, ob man jemanden duzt oder siezt. Und wir? Insgesamt, so sagen es diverse Umfragen, ist der Trend zum Du bei den Deutschen vorbei. Fast die Hälfte aller Bundesbürger fühlen sich durch ein ungefragtes Du sogar überrumpelt und distanzlos behandelt. Selbst auf dem Land, wo man früher nur den Herrn Pfarrer, den Herrn Rektor und den Polizisten nicht duzte, ist die vertraute Anrede auf dem Rückzug. Ich bin gerne Duzer. Vielleicht nicht ganz so penetrant wie Waldi Hartmann. Der Kult-Reporter aus dem Fernsehen, bei dem es nur Dus gibt. Ganz so, als wolle er permanent demonstrieren, wie gut er sich doch mit allen versteht. Auf Du und Du mit der Welt.

Vielleicht liegt die Hingabe zum Du aber auch an der Herkunft. Auf der Alm, auf dem Land, in den Bergen. Ein Sie gibt es da nicht. Der Allgäuer Urlaubsort Oberstaufen zum Beispiel ist bekannt für ausgefallene Wege. In Oberstaufen also wurden vor einigen Jahren die Touristen befragt, wie sie es denn lieber hätten. Ein Du, Hans-Peter. Oder ein Sie, Herr Müller. Und sie entschieden sich für das Legere, für das Du. Seitdem heißt es im Allgäu: "Schön, dass Du da bist!" Egal woher und wie alt der Feriengast ist. Das schafft Nähe und Verbundenheit. Auf Du und Du mit Freunden. Und genau diese beiden Komponenten braucht man auch, wenn man mindestens vier Stunden mit einem Mitspieler auf dem Golfplatz unterwegs ist. 

Keine Hinweise in der Etikette

Die Regeln zur Etikette geben über die korrekte Anrede erst einmal keine Antwort. Aber mal ehrlich: Ein bisschen komisch ist das schon. Da stehen sich zum Beispiel bei einem Turnier bis dato fremde Menschen am ersten Abschlag gegenüber. Individuen mit meist unterschiedlichsten Biografien. Und die sollen jetzt die nächsten vier, fünf Stunden miteinander verbringen. Wer sind diese Menschen? Du oder Sie? Zähler und Gezählte? Konkurrenten oder Spielkameraden? Vielleicht Schicksalsgefährten? Zumindest Letztere sollten eigentlich schnell zum Du finden. Du oder Sie? Und wer darf eigentlich als erstes? Stell' Dir mal vor, Du sagt Deinem Gegenüber zu Beginn der Runde: „Hallo, ich bin der Stephan.“ Und zurück kommt ein: „Angenehm, Professor Doktor Helmut Fischer.“ Wäre diese Runde noch zu retten? Da ist der Spaß doch schon vorprogrammiert. Wie unverkrampt geht da der Schotte an den ersten Abschlag, grüßt seinen Flightpartner locker und lässig: „How are you?“.

 

Ach, wären wir beim Golfen doch alle ein bisschen Schotten. Auf Du und Du. Und wenn es nur für 18 Loch ist. So als würde man sich schon seit Ewigkeiten kennen. Aber einen Du lobt man eben viel leichter für einen tollen Annäherungsschlag als den Herrn Chefarzt, vor einem Du lässt es sich der scheinbaren Vertrautheit wegen nach einem misslungenen Putt viel schamloser fluchen als im Angesicht der Frau Professorin. Und mit einem Du trinkt man nach der Runde im Clubhaus viel entspannter noch ein Bierchen als beispielsweise mit dem Herrn Wirtschaftsboss.

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