Den Abschlag verzogen, der Ball kullert nur - und landet direkt auf der Kugel des Mitspielers. Diese Kugel spickt in Richtung Bunker, der anderen Ball fliegt im hohen Bogen im Aus. Klar, weiß ich, wie es weitergeht. Ich habe ja schließlich die Platzreife erfolgreich bestanden. Obwohl, so ein bisschen unsicher bin ich in diesem Moment schon, ob die Spielfortsetzung tatsächlich ganz regelkonform war. Würdest Du die Platzreifeprüfung noch einmal bestehen? Ich habe mich mal getestet.
Kommt Dir die Situation bekannt vor? Es ist ein bisschen wie bei der Führerscheinprüfung. Die ist in meinem Fall inzwischen fast 20 Jahre her. Eine lange Zeit. Kürzlich habe ich bei einem Bekannten einen dieser Übungsbogen gesehen. Und ich war mir in diesem Augenblick nicht mehr so sicher, ob ich wirklich ein Autofahrer bin, der die Verkehrsregeln aus dem Eff-eff beherrscht.
Beim Golfen ist das ganz ähnlich. Etikette? Klar kenne ich die! Regeln im Bunker? Ja, wird schon ein bisschen kniffliger. Bei mancher Runde auf dem Platz könnte man meinen, der eine oder andere im vorauslaufenden Flight hätte nie einen Test ablegen müssen, geschweige denn, einen erfolgreich bestanden. Da wird nach einem missratenen Abschlag stundenlang im Rough gesucht, ans Durchspielen-Lassen nicht der geringste Gedanke verschwendet. Und der Stau wird immer länger. Was will der junge Typ da hinter mir auch?! Soll der doch warten. Schließlich habe ich schon 40 Jahre länger meinen Mitgliedsbeitrag eingezahlt. Klingt komisch, ist aber so. Und das ist nur eines von vielen Beispielen.
Zwei Golf-Neulinge in der Familie haben sich vor Kurzem mit den wichtigen Punkten dieses Spiels beschäftigt. Beide haben die Platzreifeprüfung bestanden. Beide wissen wahrscheinlich derzeit noch mehr als so mancher erfahrener Spieler. Dem Kurzzeitgedächtnis sei Dank. Ich wollte wissen: Wie würde ich abschneiden, wenn ich den theoretischen Test heute, gut zwölf Jahre nach meiner Platzreifeprüfung, noch einmal machen müsste. Im Internet habe ich ein entsprechendes Angebot gefunden. Und ich habe es einfach ausprobiert.
Stark begonnen ...
Die erste Frage scheint noch ganz einfach: Der Spieler setzt beim Ansprechen des Balls im Bunker, seinen Schläger im Sand auf. Bekommt der Spieler eine Strafe? Ist mir zwar selbst noch nicht passiert. Aber die Angst sitzt immer im Nacken. Die Angst, bei einem Turnier einen dieser penibel-peinlichen Regelpäpste im Flight zu haben, der mit Adleraugen hinschaut und mir gleich einen Strafschlag aufbrummt. Antwort: ja. Richtig!
Und auch die Fragen nach den Farben der Pflöcke an seitlichen und frontalen Wasserhindernissen beantworte ich noch mit Leichtigkeit. Rot und Gelb. Aus Erfahrung. Liege ich ja schließlich oft genug mitten drin. Auch die Tatsache, dass jeder Spieler selbst und nicht etwa der Greenkeeper dafür verantwortlich ist, die herausgeschlagenen Divots wieder zurückzulegen, ist glasklar. Dann die erste richtige Herausforderung: Einen Ball droppen heißt, der Spieler muss aufrecht stehen und den Ball mit ausgestrecktem Arm in Schulterhöhe fallen lassen. Falsch gedroppt. Ein oder zwei Strafschläge? Ich meine einen, liege aber daneben. Ups. Die richtige Antwort lautet: zwei Strafschläge. Und eigentlich müsste ich für diese Wissenslücke auch zwei solcher Strafschläge erhalten.
Regel 24-1 bringt mich wieder zurück in die Erfolgsspur. Der Ball des Spielers liegt neben einem beweglichen Hemmnis, einer Bank, und ist daher nicht spielbar. Darf der Spieler die Bank straflos fortbewegen? Ich entscheide mich für ja, am Bildschirm blinkt ein grüner Haken auf. Ich balle die Faust. Und verkrampfe gleich bei der nächsten Frage wieder. Wann darf ein Ball während einer Runde ausgetauscht werden? Was für eine Frage. Die Antwort scheint einfach. Aber irgendwie komme ich doch ins Grübeln. Eine Fangfrage? Ich entscheide mich für Antwort A. Ein Ball darf nach Beendigung eines Loches und vor dem nächsten Abschlag durch einen anderen Ball ersetzt werden. Korrekt.
Nicht unbedingt bis zum bitteren Ende
"Sie haben Ihren Ball in dichtes Rough geschlagen. Es sieht danach aus, dass Ihr Ball nicht leicht zu finden ist. Wann lassen Sie die nachkommende Partie durch?", wird gefragt. Nein, die fünf Minuten stehen mir zwar zu, aber genau das ist der entscheidende Punkt. Golf ist auch ein Sport der gegenseitigen Rücksichtnahme. Sonst funktioniert das reibungslose Miteinander auf dem Platz nicht. Ich entscheide mich dieses Mal rein intuitiv für die richtige Antwort: "Wenn es aussieht, dass der Ball schwierig zu finden sein wird."
So geht es noch ein paar Fragen weiter. Mal zögert man länger, mal wird der Haken sofort an der richtigen Stelle gemacht. Wer oft Golf spielt, lernt aus Erfahrung. Die Platzreifeprüfung, da bin ich mir sicher, würde fast jeder noch einmal bestehen. Es kommt vielmehr auf das eigene Verhalten auf dem Platz an. Die Gabe, nicht immer recht haben zu müssen. Die Gabe, die anderen als gleichwertige Mitspieler zu akzeptieren. Der Anfänger den Clubmeister und der Clubmeister den Anfänger. Dann macht Golf richtig Spaß. Auf einer privaten Runde sollte zwar die Etikette, nicht aber das Regelbuch bis ins Detail eingehalten werden. Und wenn bei einem Turnier dann doch mal die kniffligen Fragen auftauchen, ist mit Sicherheit irgendwo auf dem Platz einer unterwegs, der zu der sympathischen Spezies der Regelhüter gehört. Einer, der mit Sicherheit immer korrekt spielt, zum Lachen aber in den Keller des Clubhauses verschwindet.
Foto: Stephan Schöttl