Campingurlaub: Vier Räder statt vier Sterne

Ja, diesen Plan habe ich schon seit vielen Jahren. Einfach mal ins Wohnmobil - und ab. Treiben lassen, anhalten. Sitzenbleiben, aussteigen. Golfen. Wann auch immer. Campingurlaub boomt! Für diese Erkenntnis braucht's keine detaillierten Statistiken. Ein Besuch auf einer der vielen Reisemessen zu Beginn des Jahres genügt da schon als Beleg. Auch unter Golfern wird diese Art des Reisens immer beliebter. Für das Magazin PERFECT EAGLE habe ich Ende 2019 eine Story darüber geschrieben: "Vier Räder statt vier Sterne".

 „Golfnomaden, ja, dieser Begriff passt perfekt zu uns“, meint Alexandra Göttsch. Vor Kurzem war sie mit ihrem Mann Gorden mal wieder auf großer Tour. Heute hier, morgen dort. Seit fast zehn Jahren sind die beiden Kieler regelmäßig mit ihrem Campingmobil unterwegs. Das Golf-Equipment haben sie immer dabei, ebenso ihren vierbeinigen Reisebegleiter Birdie, einen Zwergschnauzer. Über den typischen Klischee-Golfurlaub lachen sie bloß: Keinen Prosecco, keine Lachsbrötchen auf der sonnengefluteten Terrasse des Luxushotels zum Frühstück, kein Saunagang im großzügigen Wellness-Bereich nach der 18-Loch-Runde. Nein, Alexandra und Gordon Göttsch kennen und lieben den Gegenentwurf: Mit dem Wohnmobil quer durchs Land, von Golfplatz zu Golfplatz. Stoppen und spielen, wo man gerade Lust darauf hat. Wohnen und schlafen auf kleinem Raum. „Mit dem Camper hast Du Dein eigenes Hotel am Golfplatz. Abseits der Rushhour zeigt sich der Platz von seiner schönsten Seite“, erzählen sie. 

34,6 Millionen Übernachtungen auf deutschen Campingplätzen

Die Göttschs zählen damit längst nicht mehr zu einer Minderheit. Immer mehr Menschen gönnen sich den Luxus, mit den eigenen vier Wänden zu verreisen und so innerhalb weniger Tage viele verschiedene Regionen und Orte zu erleben. Vier Räder statt vier Sterne. Das belegen aktuelle Zahlen aus der Tourismus-Branche. Im vergangenen Jahr registrierten deutsche Campingplätze 34,6 Millionen Übernachtungen – ein Plus von 11,3 Prozent zum Vorjahr. Österreichische Campingplatz-Betreiber freuten sich 2018 über fast sieben Millionen Nächtigungen und auch in der Schweiz hält der Boom an: Zum dritten Mal in Folge gab es starke jährliche Zuwächse. Insgesamt übernachteten Camping-Urlauber im vergangenen Jahr rund 3,5 Millionen Mal auf einem der über 400 Anlagen in der Schweiz. Das hat eine Auswertung des internationalen Reise- und Buchungsportals www.camping.info mit Sitz in Berlin ergeben, das mit jährlich etwa 40 Millionen Seitenaufrufen und mehr als 23.000 eingetragenen Campingplätzen zu den führenden europäischen Informationsquellen für Campingurlaube zählt.

 

Aber zurück zu Alexandra und Gorden Göttsch. Zurück zu den Golfern. Sie sagen: „Wir können die Verbindung Golf und Wohnmobil uneingeschränkt empfehlen und sind bisher von Golfclubs und Mitgliedern immer sehr freundlich empfangen worden.“ Wo sie schon überall unterwegs waren, darüber berichten sie in ihrem eigenen Reiseblog golf-womo.de. Das Angebot der Golfplätze, sagen sie, sei noch immer sehr unterschiedlich: „Auf zahlreichen Golfplätzen besteht einfach nur die Möglichkeit, auf dem allgemeinen Parkplatz zu übernachten. Dies ist dann aber auch kostenfrei. Andere haben sich bereits komplett auf diesen neuen Tourismuszweig eingestellt und bieten extra Stellplätze mit Stromversorgung und 24-Stunden-Nutzung der sanitären Einrichtungen an.“  Dafür wird dann je nach Anlage eine Kostenpauschale pro Nacht berechnet. Keine Unsummen. „In der Regel um die zehn Euro“, sagt Alexandra Göttsch. Auf ihren Reisen haben sie festgestellt, dass sich insbesondere Schweden und Dänemark bereits perfekt auf Golfer eingestellt haben, die mit dem Wohnmobil kommen. Göttsch erzählt: „Zwar zahlt man hier meist eine Kostenpauschale, bekommt aber auch alles was man braucht und steht mit dem Camper meist in herrlich ruhiger Landschaft.“ Nicht selten mit unverbauter Aussicht auf den Platz.

Wie die Golf-Branche vom Boom profitieren kann

Bei den Golfclubs und Anlagenbetreibern wird diese Art des Urlaubs mittlerweile eifrig diskutiert. Weil dadurch unter Umständen in schweren wirtschaftlichen Zeiten, in denen der Kampf um Neu-Mitglieder längst entbrannt ist, ein neues Klientel erschlossen werden kann. Andererseits warten aber auch neue Herausforderungen. Das bestätigt Andreas Dorsch, Geschäftsführer des Golf-Management Verbands Deutschland (GMVD). Er sagt: „Das Freizeitverhalten und -angebot hat sich verändert. Der Kunde möchte möglichst viel erleben. Wir stehen im Wettbewerb um sein Zeitbudget und müssen den Aufenthalt der Mitglieder und Gäste so angenehm und kurzweilig wie möglich gestalten. Und in ein Wohnmobil passen viele Dinge, auch das Golf-Equipment.“ Die einen widmen sich diesem Thema bereits intensiver, die anderen eher noch zurückhaltend. Dorsch glaubt, dass auch die Golf-Branche vom Camping-Boom profitieren kann – wenn die Sache denn letztlich mit dem nötigen Ernst angepackt wird. „Ich sehe insbesondere für diejenigen Golfclubs und Golfanlagen Potenzial, die sich in Urlaubsregionen befinden und die einen hohen Anteil an Greenfee-Umsätzen haben. Bei den Golfclubs, die eher mitgliederorientiert sind, ist es eher ein zusätzlicher Service, auf diese spezielle Zielgruppe eingestellt zu sein“, meint er. Und es könne so einfach sein. Ohne große Baumaßnahmen. Infrastrukturell reiche oft schon eine spezielle Stellfläche für die Camping-Fahrzeuge, freilich mit entsprechenden Anschluss-Systemen. Dorsch sagt: „Die dürfen aber ruhig auch etwas weiter weg sein vom Clubhaus.“ 

Wer ein Tagesgreenfee löst, darf auch die Infrastruktur nutzen

Als Best-Practice-Beispiele zählt der GMVD-Geschäftsführer unter anderem den renommierten deutschen Golfclub St. Leon-Rot bei Heidelberg, den Golfclub Auf der Gsteig in Lechbruck unweit der Königsschlösser im Allgäu und den Golf-Park Böhmerwald in Ulrichsberg im österreichischen Mühlviertel auf. Vor allem bei letzterer Anlage scheint das kein Zufall zu sein. Mit Stephan Waltl hat der Golf-Park einen Präsidenten und Geschäftsführer, der selbst begeisterter Camping-Urlauber ist.  Die Erfahrungen auf Achse lehren ihm immer wieder: Vielerorts ist in der Service-Wüste noch reichlich Luft nach oben. Wie einst in Polen oder zuletzt in Ungarn. „Strom gab es dort keinen und die Toiletten waren auch zugesperrt“, erzählt er und schiebt lachend hinterher: „Nächstes Mal geht’s wieder durch Österreich. Da soll es richtig lässig sein.“ Inzwischen verfügt sein Golfpark Böhmerwald über fünf vollwertige Wohnmobil-Stellplätze, inklusive Stromanschlüsse. Dafür wurde vor einigen Jahren extra ein Stück Wald dazugekauft. Waltl schwärmt: „Bei uns sind Golfer mit ihren Campingmobilen jederzeit herzlich willkommen. Sie dürfen ihre Fahrzeuge gerne kostenfrei für ein oder zwei Nächte abstellen. Nicht irgendwo, sondern unmittelbar oberhalb des 18. Grüns und nur wenige Schritte vom Clubhaus entfernt.“ Wer ein Tagesgreenfee für den Golfplatz löst, darf auch die Infrastruktur nutzen. Im Clubhaus gibt es für die Gäste kostenloses WLAN, Umkleiden, Duschen und Toiletten. „Die sind täglich von 7 bis 21.30 Uhr geöffnet“, erklärt der Club-Präsident. Den morgendlichen Wachmacher gibt’s schon früh an einer Kaffeemaschine an der Halfway-Station. Inzwischen sind in Ulrichsberg nicht mehr nur Golfer zu Gast. Der Böhmerwaldpark wurde erweitert. Um einen 3D-Bogenparcours mit 18 Figuren, eine Adventure-Minigolf-Anlage, Disc-, Swin- und Footgolf. Der Erfolg gibt Waltl und Co. recht:  „2017 waren es im gesamten Jahr vielleicht zehn Golfer, die mit dem Wohnmobil zu uns gekommen sind. Jetzt steht bei uns jeden Tag mindestens ein Camper. Das ist eine ganz besondere Entwicklung“, sagt er.

 

Auf seiner Internetseite golf-camping.at hat er drei Tourenvorschläge für Golfer quer durch Österreich zusammengestellt. Denn die Reiseroute, meint er, sollte im Voraus zumindest grob geplant werden. Welche Golfplätze kommen infrage? Darf dort auf dem Parkplatz campiert werden? Wann ist der Platz möglicherweise für Turniere gesperrt? Hat die Clubgastronomie überhaupt geöffnet? Im Voraus sollte daher unbedingt Kontakt mit den Clubs aufgenommen werden. Dann kann man sich eine Liste mit möglichen Stopps erstellen. Für ein erstes Schnuppern eigne sich schon ein verlängertes Wochenende. Und: Für den Anfang sollten sich Camping-Neulinge lieber mit kleineren Modellen begnügen, die leicht zu manövrieren sind. 

Fotos: Alexandra Göttsch, boehmerwaldgolf.at