Hilfe, ich bin krank!

Hilfe, ich bin krank! Nein, kein Männerschnupfen. Den hatte ich schon rund um Weihnachten. Dieses Mal ist es noch viel schlimmer. Ich bin befallen von der krankhaften Angst, etwas zu verpassen. Erst heute früh habe ich die Symptome an mir wieder ganz, ganz eindeutig festgestellt. Als ich aus dem Dachfenster geschaut habe. Auf der einen Seite war noch alles in Ordnung ...

Beim Blick in Richtung Süden auf die verschneiten Gipfel der Allgäuer Berge war ich noch ganz ruhig. Schließlich ist dieser Anblick Ende Februar nichts ungewöhnliches. Dieses Panorama ist gelebte Idylle. Einer der Gründe, weshalb ich meine Heimat so sehr liebe. Beim Blick in Richtung Norden hat mein Körper aber zu zittern begonnen. Die Füße wollten los. Die Arme haben gezuckt. Mir wurde auf einen Schlag warm ums Herz. Und ich habe ganz unterbewusst begonnen, kleine Schwungbewegungen auszuführen, als ich den Südhang des 9-Loch-Golfplatzes in der Nachbarschaft gesehen habe. Die Kraft der Sonne hat hier schon volle Arbeit geleistet. Grasgrün statt schneeweiß.

Ich habe mal Dr. Google gefragt. Der sagt, man spreche im Fachjargon von Fomo. Das steht für „Fear of missing out“ und sei ein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Eines, für das vor allem die Generation anfällig ist, die quasi rastlos twittert, postet und instagramt. Je mehr desto besser, denn umso mehr wird schließlich erlebt. Denken wir zumindest. Ich habe bei meiner Recherche den ernsthaften Eintrag eines Psychologen gefunden. Er sagt, Fomo sei die Angst, etwas zu versäumen, was man später nicht mehr nachholen kann. Die Angst, nicht mitreden zu können und den Anschluss zu verpassen. Ja genau. Das ist es! Auch bei mir! Wenn ich mich dieser Tage so durch meine sozialen Netzwerke scrolle, finde ich da so viele Fotos von Freunden und Bekannten. Unterwegs auf dem Golfplatz. Der erste Birdieschnaps in der Sonne. Und dann beginnt mein Körper wieder zu zittern ...

Aus dem Nichts

Doch wie ist das mit Fomo und den Golfern? Die Angst kommt quasi aus dem Nichts. Eine Krankheit ohne lange Inkubationszeit. Es reicht schon völlig aus, einfach nur eine grüne Wiese zu sehen. Einen Impfstoff gibt es nicht. Man muss da durch. Irgendwie. Besonders betroffen sind viele Golfer im Zeitraum zwischen Ende Jannuar und Anfang März. Dann, wenn man auf den ersten Golf-Messen des Jahres heißgemacht wird. Dann, wenn im Fernsehen wieder die ersten Bilder von den großen Turnieren auf der Tour gezeigt werden. Dann, wenn die Tage wieder länger und die Temperaturen draußen wieder lauer werden. Ja dann treten die Symptome des Golf-Fomo ganz besonders geballt auf.

 

Neben den körperlichen Merkmalen gibt es noch weitere ganz klare Verhaltensmuster, die auf die krankhafte Angst, etwas zu verpassen, hindeuten. Man sagt zum Beispiel, der Golfer beginne dann ganz unkontrolliert in den einschlägigen Online-Shops zu stöbern. Noch zwei Paar Golfschuhe. Die Poloshirts Nummer 22 und 23. Und natürlich auch noch zwei, drei neue Golfhosen. Weil die grad so günstig sind und die sieben im Schrank vielleicht ja in einer ganz exzessiven Golf-Woche nicht ausreichen könnten. Ach, da fällt mir gerade ein: Ich bräuchte vielleicht noch zwei, drei neuen Caps. Nicht, dass die anderen da schon ...

Fotos: Stephan Schöttl