Golf auf dem Weg zum TV-Sport?

Schon vor 50 Jahren hat Reporter-Legende Harry Valérien in Garmisch-Partenkirchen mit einer kleinen Handkamera versucht, ein Golfturnier zu filmen – für eine Sendung des Bayerischen Fernsehens. In Deutschland ist Golf im Fernsehen noch immer Randsport, während in den USA Millionen vor den TV-Geräten sitzen, wenn die großen Turniere übertragen werden. Wie etwa beim Masters in Augusta. Wir haben uns mit ARD-Sportfrontfrau Julia Scharf darüber unterhalten, warum mancher Sport mehr fernsehtauglich ist und manch anderer weniger.

Noch einmal ein kurzer Rückblick: Als Valérien später beim ZDF angestellt war, brachte er mithilfe des damaligen Sportchefs Hans-Joachim Friedrichs den Golfsport immer öfter auf Sendung, musste sich dafür allerdings immer wieder den Spott der Kollegen gefallen lassen. Wie man Golf zu filmen hat, erklärte Valérien selbst erfahrenen Kameramännern – etwa, wie man die Flugbahn eines Balles richtig verfolgt. Auch vor der ersten Live-Übertragung eines Golfturniers im deutschen Fernsehen verteilte er Crashkurse an alle, die eine Kamera bedienten. Das war im Jahr 1975 bei der ersten Übertragung der German Open im Fernsehen. Der technische Aufwand war schon damals groß.

Julia Scharf ist selbst auch begeisterte Golferin und hat im Jahr 2015 den Solheim Cup moderiert, der insgesamt 20 Stunden live im SWR und der ARD gezeigt wurde. Seit ihrem Studium befasst sich die Münchnerin damit, warum einige Sportarten im Fernsehen gut funktionieren und warum andere weniger fernsehtauglich sind. Beispielsweise Golf.

"Das Wimbledon des Golfsports"

Frau Scharf, schätzungsweise 600 Millionen Menschen verfolgen das Masters Tournament an diesem Wochenende in Augusta weltweit vor den TV-Geräten. Hat Golf tatsächlich so viel Potenzial als Live-Sportart im Fernsehen?

 

Scharf: Das Masters hat natürlich einen großen Stellenwert. Es ist das Wimbledon des Golfsports und in Asien und den USA gibt es unglaublich viele Golf-Fans. Man kann von diesen großen „Einmal-Events“ mit ganz besonderer Atmosphäre kaum ableiten, wie viel eine ganze Serie oder Liga an Zuschauerpotential hat. Da ist die Handball-EM das beste Beispiel. Das Finale haben fast 15 Millionen Zuschauer live in der ARD verfolgt. Aber regelmäßige Bundesligaspiele sehen circa nur ein Prozent von diesen Zuschauern.

 

Auch bei anderen, weniger populären Turnieren sitzen Millionen US-Amerikaner stundenlang vor dem Fernseher, um sich Golf live anzusehen. In Deutschland undenkbar, oder?

 

Scharf: In Deutschland hat Golf bisher noch einen ganz anderen gesellschaftlichen Stellenwert. In Amerika braucht man keine Platzreife und kann ganz locker mit kurzer Hose eine Runde drehen. Daher spielen viel mehr Leute Golf und verfolgen es auch im TV.

 

"Über Fußball müssen wir nicht reden"

Sie haben beim Solheim-Cup fürs Free-TV Golf übertragen und auch für die breite Masse “übersetzt”. Was war die große Herausforderung dabei?

 

Scharf: Eigentlich überhaupt nichts. Es ist beispielsweise beim Skispringen ähnlich. Da muss man den Zuschauern auch versuchen, zu übersetzen, was die Sportler dort meinen und auf der Schanze tun. Dieses Gefühl kann kaum ein Zuschauer nachvollziehen. Außerdem hatte ich in St. Leon-Rot mit Sophia Popov die optimale Expertin an meiner Seite. Sie lebt in den USA und ist in Deutschland aufgewachsen, ist eine hochtalentierte Golferin und hat mit einer unglaublichen Leichtigkeit vor der Kamera ihren Sport vermittelt.

 

Es gibt Sportarten, die eignen sich prima fürs Fernsehen, zum Beispiel Fußball oder Handball. Und es gibt solche, die weniger gut für Live-Übertragungen geeignet sind wie beispielsweise Segeln oder Schießen. Wo reiht sich der Golfsport Ihrer Meinung nach ein?

 

Scharf: Es gibt unterschiedliche Faktoren, warum eine Sportart im TV funktioniert. Über Fußball müssen wir nicht reden. Der Sport hat eine lange Tradition, er wird fast überall auf der Welt gespielt und die Regeln sind grundsätzlich einfach. Auch ein Fußballfeld kann man mit Kameras gut abbilden. Generell muss die Sportart vielen Menschen bekannt sein. Die Protagonisten sollten bekannt sein, die Regeln einfach und der Aktionsradius sollte überschaubar sein. Die Wettkampfformate sollten nicht zu kompliziert sein und nicht zu lange dauern. Schießen ist vom Aktionsradius her eigentlich fernsehtauglich, da man keine sehr großen Flächen, wie einen Golfplatz mit unzähligen Kameras ausrüsten muss. Beim Biathlon sieht man ja auch, wenn man den Wettkampfmodus kurz und einfach macht, dann interessiert es die Leute. Oft sind es aber die Strukturen in den Verbänden, die größtenteils ehrenamtlich organisiert sind. Das lässt keine professionelle Vermarktung zu. Segeln kann man mit Golf vergleichen - zumindest was die großen Flächen angeht. Wobei es auf dem Wasser noch viel schwieriger ist, alles mit Kameras einzufangen und alle entscheidenden Situationen im Kasten zu haben. Ich denke Golf hat auch eine lange Tradition und auch wenn man nicht alle Regeln kennt: Der Ball muss gespielt werden, wo er liegt, und mit möglichst wenigen Schlägen ins Loch. Das ist für den Zuschauer nachvollziehbar. Die Zweidimensionalität im Fernsehen macht es allerdings oft nicht nachvollziehbar warum etwa ein Put schwierig ist. Man sieht ja nicht, wie das Grün onduliert ist. Aber da helfen ja Grafiken mittlerweile ganz gut.

 

Was müsste sich denn dann ändern, um Golf auch in Deutschland zur populären TV-Sportart zu machen?

 

Scharf: Um regelmäßig ein großes Publikum vor den Fernseher zu bekommen, müssten Wettkämpfe verkürzt werden und der Modus muss sich so verändern, dass die Finalrunde spannend und kurz ist. In Deutschland müssten mehr große Turniere stattfinden. Wenn selbst die deutschen Stars fast nie vor Ort sind, finden sie in den Medien nicht statt, Fachmagazine mal ausgenommen.


Das ist Julia Scharf

Julia Scharf hat Sportwissenschaften und Medien/Kommunikation an der TU München studiert. Ihre Diplomarbeit mit Jahrgangsbestnote hat sie zum Thema „Mediale Vermarktung von Randsportarten und deren Inszenierung im TV“ geschrieben. Nach einem Volontariat beim Münchner Zeitungsverlag arbeitete die begeisterte Golferin beim Online Portal sport1.de, später auch für den Fernsehsender SPORT1. Dort moderierte sie diverse Fußballsendungen und die Basketball Bundesliga. Nach ihrem Wechsel zum SWR und der ARD moderiert Julia Scharf hauptsächlich die Sportschau, Ski alpin Übertragungen und kommt bei Fußballspielen zum Einsatz. Im Jahr 2015 moderierte die Münchnerin den Solheim Cup, der insgesamt 20 Stunden live im SWR und der ARD gezeigt wurde.

Fotos: Fotolia, Nadine Rupp