Der intelligente Golfball 3.0

Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain hat es schon bald auf den Punkt gebracht: "Golf ist ein Spaziergang mit Ärgernissen", sagte er einst. Wie recht er doch hatte. Und wie recht er auch heutzutage noch immer hat. Der eine Ball kommt direkt hinter dem Baum zum Liegen, der nächste wird gar nicht erst richtig getroffen und der dritte landet mitten im tiefen Rough - und ist trotz minutenlanger Suche verloren. Thomas Sandel hat einen Ausweg gefunden: Er hat gemeinsam mit Alex Raimondi einen Golfball entwickelt, der sich via Bluetooth schnell wieder finden lässt. Eine echte Weltneuheit.

Dabei weiß Sandel allzu gut, wie nervig oft epische Suchaktionen sein können, wie sehr sie den Spielbetrieb aufhalten und die 18-Loch-Runde mal locker auf fünf bis sechs Stunden ausdehnen können - Strafschläge inklusive. "Verlorene Bälle schlagen mir derart auf die Stimmung, dass ich danach immer gleich eine Weile schlechter spiele", sagt der Schweizer, der selbst leidenschaftlich gerne Golf spielt. Mit "variierendem Handicap zwischen 18 und 26", wie er grinsend erklärt.

 

Auf die Idee, einen cleveren Golfball mit integriertem Chip zu entwickeln, kam Sandel, als er eine verlorene Golfwette im Clubhaus begleichen und die Drinks für die Flightpartner bezahlen musste. Zuvor hatte er wieder einmal einige Bälle im Gras oder unter Blättern nicht mehr gefunden. "Ich habe mir gedacht, dass es im 21. Jahrhundert dafür doch auch eine technische Lösung geben muss", sagt er. Und so ging er gemeinsam mit seinem jetzigen Geschäftspartner Raimondi, einem Ingenieur im Bereich Mikroelektronik, das Thema an.

Thomas Sandel
Thomas Sandel

Ein Thema, das den Golfsport fundamental verändern könnte. Denn sein Never-Lost-Golfball, quasi der Nieverlorene, soll sich, so der Erfinder, dank Bluetooth-Technologie mit Smartphoine und App aus bis zu 130 Metern Entfernung in maximal 90 Sekunden wieder finden lassen. "Das Tolle ist, dass man dafür kein weiteres Gerät mit auf den Platz nehmen muss. Denn das Smartphone haben mehr als 95 Prozent aller Spieler im Bag oder in der Hosentasche dabei", erklärt Sandel (49).

 

Herzstück des Balls ist ein eingebauter, rund 17 Millimeter kleiner Chip mit Sender und Knopfzellenbatterie. Der Ball wird vor dem Spiel mit dem Handy verbunden. Dadurch wird er vom Schlaf- in den Spielmodus versetzt und sendet alle 0,2 Sekunden ein Bluetooth-Signal aus. Die Chip-Technologie befindet sich bereits in der fünften Generation. Denn einer der größten Knackpunkte in der Entwicklung war die Belastung beim Schlag. "Beim ersten Prototyp war nach 20 Schlägen mit dem Driver Schluss. Inzwischen haben wir schon mehr als 100 Mal auf den Ball eingeschlagen und er funktioniert noch immer einwandfrei", erzählt Sandel.

Flugeigenschaften verändern sich nicht

Auf eines legen die beiden pfiffigen Schweizer großen Wert: Aussehen, Gewicht, Flugeigenschaften und Rollverhalten des Balls sind identisch mit einem regulären Golfball ohne integrierten Chip. "Das haben mehrjährige Tests ergeben. Wir haben auch schon recht früh im Projekt mit einem Stimpmeter getestet. Und es gab keine statistischen Abweichungen zum Rollverhalten anderer Bälle namhafter Hersteller", berichtet Sandel. Er gibt aber auch ganz offen zu, dass die Testphase mitunter recht frustrierend war. Dann zum Beispiel, wenn die Technik nicht so funktioniert hat, wie gewünscht.

 

Mittlerweile erfüllen die Never-Lost-Bälle alle Kriterien der USGA und der R&A-Regelpäpste. "Wir sind über den Schweizer Verband auch schon bei diesen hohen Institutionen vorstellig geworden. Die Leute dort wissen natürlich auch, dass sie sich dem technischen Fortschritt des Golfs nicht verwehren können", sagt der Zürcher weiter. Ein weiteres Plus: Die Regelhüter haben in den kommenden Jahren vor allem die Reduktion der Spielzeit als Ziel. Golf soll schneller und so noch attraktiver werden. Und da kommt Sandels Idee mit der Verkürzung der Suchzeit wie gerufen.



Stückpreis hat es in sich

Allerdings gilt auch bei diesem intelligenten Golfball: Wer Qualität haben will, muss dafür auch entsprechend bezahlen. Derzeit liegt der Stückpreis bei 15 Euro, im Pre-Sale ist der Sechserpack für 90 Euro zu haben. Die Lebensdauer liegt laut Entwickler bei einem Jahr, wenn der Ball einmal aktiviert wurde. Im Schlafmodus hält die Batterie etwa drei Jahre. "Die Technologie ist das Teuerste an diesem Produkt. Wir haben uns zudem bewusst für einen 3-Piece-Ball entschieden", erzählt Sandel. In der Testphase wurden zunächst einmal mehrere Hundert Bälle produziert. Im Sommer, wenn der Ball den Markt erobern soll, planen die Schweizer mit Zehntausenden Exemplaren. Das Interesse auf der ganzen Welt ist riesig. Sandel war bei der PGA-Show in Orlando ein gefragter Mann. Sogar eine Golfzeitschrift in Südkorea berichtete bereits über seine Weltneuheit.

Der Erfinder denkt schon weiter

Doch Thomas Sandel wäre kein guter Erfinder, wenn er nicht schon längst mehrere Schritte weiterdenken würde. Er tüfelt gemeinsam mit Alex Raimondi an einer modernen Chip-Technologie, mit der sich beispielsweise die Abschlagsgeschwindigkeit und die Flugbahn speichern und analysieren lassen. Der Ball soll so zum Trainingsgerät werden. Doch trotz alles High-Tech-Innenlebens gibt es noch ein großes Hindernis für die Golfer, an denen auch der Golfball 3.0 nichts hilft: Landet er erst einmal im Wassergraben oder im Teich, ist auch der Nieverlorene letztlich verloren.

Fotos: Chip-ing GmbH