Zum In-den-Schläger-Beißen

Irgendwie liegt es wohl in der Natur des Menschen, sich für nichts und wieder schuldig zu fühlen. Schlechte Noten in der Schule. Unschuldig. Der Lehrer hat die falschen Fragen gestellt. Zu spät zur Verabredung gekommen. Unschuldig. Vorher noch vom Kollegen aufgehalten worden. Das Geschenk am Hochzeitstag vergessen. Unschuldig. Wir haben doch ausgemacht, uns nichts mehr zu schenken. Und beim Golfen ist das nicht anders. Es ist zum In-den-Schläger-Beißen.

Der Ball, der Schläger, der Platz. Alles muss als Sündenbock herhalten. Auf einer meiner letzten Runden beispielsweise hat ein Spieler, nennen wir einfach Manfred, ein wahrlich netter Flightpartner, den Putt zum Birdie vermasselt. Weil er das Grün falsch gelesen hat und die kleine weiße Kugel Zentimeter vor dem Loch doch noch nach links abgebogen und vorbeigerollt ist. Schuld war freilich nicht er. Mein Mitspieler sah da doch tatsächlich eine klitzekleine, aber wohl entscheidende Welle im Boden. Der Greenkeeper war's. Ganz klar schuldig!

 

Ein paar Bahnen weiter ist es mir dann ähnlich ergangen. Und ich habe mich bei den Schuldzuweisungen ertappt. Zumindest kurz habe ich geschmunzelt, als der Putt einige Zentimeter zu kurz geraten war und ich den Ball angeschrien habe, er möge doch bitte noch rollen. Rollen, rollen, rollen. Tat er aber nicht, dieser Hundling. Der Ball war's. Ganz klar schuldig!

 

Noch ein Beispiel gefällig? Es waren noch knapp 100 Meter zum Loch. Fredl, mein Mitspieler (wieder ein Ehrenwerter, mit dem ich jederzeit wieder loslaufen würde), nimmt den Pitchingwedge aus der Tasche, holt aus, verzieht das Teil total. Und der Ball landet nicht auf dem Grün, sondern im Sandbunker nebenan. Fredl war's natürlich nicht. Ein paar Grashalme hat er nach dem missratenen Schlag in die Luft geworfen, um nach dem Wind zu sehen. Fredl war sich schnell sicher: Eine Böe hat die Kugel von der Flugbahn abgebracht. Ganz klar schuldig!

Die Top 10-Ausreden

Der Schlag misslingt, die Stimmung ist dahin. Der schnelle Flight im Nacken war schuld. Wie will man sich denn bei dem Druck von hinten auch konzentrieren können?

 

Beim Gedanken an den Birdie-Schnaps läuft schon das Wasser im Mund zusammen, doch der Ein-Meter-Putt bleibt fast 20 Zentimeter zu kurz. Ganz klar schlecht gemäht, Herr Greenkeeper!

 

Anstatt die kleine Kugel mit dem Eisen 7 im hohen Bogen nach vorne zu schlagen, kullert der Ball - bilderbuchreif getoppt - nur ein paar Meter. Aber wie will man da auch ordentlich in den Rhythmus kommen, wen man mit dem Cart unterwegs ist? Schlagen. Einsteigen. Fahren. Aussteigen. Schlagen ...

 

Wieder einmal mit dem letzten Schlag vor dem Grün um einiges zu kurz geblieben. Muss wohl wieder einer dieser minderwertigen Billigbälle gewesen sein, der da aus dem Bag gefischt wurde.

 

Kurz warten müssen, dann den Ball nicht wie gewünscht getroffen. Aber, was muss der langsame Flight da vorne auch so trödeln? Immer dieses Beine-in-den-Bauch-Stehen.

 

Beim Annäherungsschlag zur Fahne fehlt wieder einmal die Genauigkeit. Und anstatt mit einem sicheren, kurzen Putt das Par zu retten, sind es noch fast 15 Meter zum Loch. Das muss die ungünstige Sonneneinstrahlung gewesen sein. Glitzerte die Fahne nicht gerade noch da drüben im Abendlicht?

 

Der Ball liegt im Bunker. Und er ist selbst nach einem, nach zwei, nach drei Schlägen noch nicht wieder draußen. Der Sand, ganz klar, ist vom vielen Regen viel zu nass. Da helfen auch die 150 Euro nichts, die der Pro für die letzte Bunker-Stunde eingesteckt hat.

 

Gestern auf der Proberunde noch eine ganz passable 80 gespielt. Bei Sonnenschein. Heute beim Turnier mit Pauken und Trompeten die Pufferzone verpasst. Der Nieselregen. Bin halt ein Schönwetter-Golfer.

 

Hoch konzentriert am Abschlag. Genauso konzentriert ausgeholt. Und den Drive doch voll verzogen. Aber warum muss genau in diesem Moment auch der blöde Kuckuck im Wäldchen nebenan rufen?

 

Auf den ersten neun Loch großartiges Golf gespielt, den Netto-Preis schon in Gedanken entgegengenommen. Und dann geht ausgerechnet auf den zweiten neun Loch die Puste aus. Mit Müh und Not der Verschlechterung des Handicaps entgangen. Wie kann der Clubgastronom auch diese fetten Weißwürste an der Halfway-Hütte auftischen? Leichtigkeit ade!

Ruhe bewahren, konzentriert weiterspielen

Ganz egal, was Deine Lieblingsausrede ist, Golf wird einfacher, wenn wir uns bewusst machen, dass wir zu 99 Prozent immer selbst Schuld sind. Der zu kurze Putt, die lange Partynacht vor dem Turnier, die schlechte Trainingsmoral, der falsche Griff, zu wenig Konzentration. Diese Liste ließe sich noch beliebig lange fortsetzen. Es hilft enorm, die Ruhe zu bewahren. Auch wenn Du in solchen Situationen am liebsten HB-Männchen spielen würdest. Ruhe bewahren und konzentriert weitermachen. Den Blick stets nach vorne, nicht nach hinten gerichtet. Das hilft nicht nur beim Golfen, sondern auch im Leben fernab von Grün und Sandbunker. 

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