Es darf auch gern mal bunter sein

„Mit fortschreitendem Alter gewinnt man eine verblüffende Erkenntnis: Golfer tragen diese scheußlichen Kleider mit Absicht.“ Es gibt in den Tiefen des Internets mittlerweile massenhaft solcher Sprüche und Zitate über den Golfsport. Und die meisten davon sind, egal aus welcher Epoche sie stammen, ziemlich zeitlos und heute noch genauso aktuell. So wie jener Satz von Herb Caen. Der US-Amerikaner war nicht nur Journalist, sondern auch Golfer. Die Bekleidung auf den Plätzen scheint ihm wohl ein Dorn im Auge gewesen zu sein.

Er hat zu Lebzeiten von 1916 bis 1997 aber auch viele unterschiedliche Strömungen, mitunter auch modische Verfehlungen mitbekommen. Fast ein ganzes Jahrhundert der langen Geschichte der Golf-Mode. Von Knickerbocker mit Karo-Muster, dazu passenden Strümpfen, auffälligen Hüten und strengem Krawatten-Look über gestrickte Kurzarm-Shirts in den 1940er Jahren und bewegungsbetontere Schnitte ein wenig später bis hin zu Arnold Palmer, Gary Player, Jack Nicklaus und Greg Norman. Diese vier prägten in ihren erfolgreichsten Jahren nicht nur den Sport, sondern auch den Style auf den Plätzen. Für viele waren sie Stil-Ikonen ihrer Zeit. Und sie läuteten damit gleichzeitig das Ende des erzkonservativen Auftretens der Sportler ihrer Zunft ein. Player ganz in schwarz, die anderen mit allem, was der Regenbogen so hergibt. Wohlwollend könnte man sagen: Es waren eindrucksvolle Farbkombinationen.

 

 

In den 1990er Jahren begann allmählich die große Liberalisierung in der Golfmode. Alles kann, nichts muss. Individuell, nicht kontrollierbar. Freilich immer angelehnt an die Etikette des Sports. Was früher Palmer und Player waren, sind heute Rickie Fowler, Bryson Dechambeau – oder Tyrell Hatton. Letzterer hatte es doch tatsächlich bei einem der großen Turniere gewagt, die finale Runde an Tag vier im Kapuzenpulli zu bestreiten. Lachend reckte er wenig später für die versammelten Pressefotografen vor dem Clubhaus im Hoodie die begehrte Trophäe nach oben. Im Internet wurde daraufhin kaum mehr über seine bestechende Form bei einem der wichtigsten Turniere auf europäischem Boden diskutiert, als vielmehr über sein unkonventionelles Accessoire. Ein anderer Klub in England ließ den Kapuzenpulli sofort auf die schwarze Liste schreiben, erklärte ihn per Tweet an seine Mitglieder als unerwünschtes Kleidungsstück. 

Schwarze Listen gibt es in den Golfclubs noch immer

Solche schwarzen Listen, umfassende Kleiderordnungen, gibt es auch heute noch in den meisten Golfclubs. Mal mehr, mal weniger streng. Oftmals geht es vorwiegend darum, die größten Modefauxpas auf dem Golfplatz kategorisch auszuschließen. Quasi präventiv. Zerrissene Jeans, Spaghettiträger-Hemdchen,  Muskelshirts. So wird es zum Beispiel auch im Golfclub Bad Wörishofen gehandhabt. Hier versucht man, den gesunden Mittelweg zu gehen. Clubmanager Christoph Hirschvogel sieht das recht locker. Auch deshalb, weil der Golfsport eigentlich auf jedes neue Mitglied angewiesen ist. „Da sollte man schon offen sein. Wir wollen zeigen, dass Golf cool ist und die Klischees entkräften. Die Modehersteller geben das heutzutage ja gewissermaßen vor. Bei einer Jeans oder einem Kapuzenpullover sage ich gar nichts. Aber alles hat auch seine Grenzen“, meint er. In all den Jahren, in denen er in Bad Wörishofen in verantwortlicher Position tätig ist, habe er nur einmal den Mode-Polizisten spielen müssen. „Damals war ein Golfer bei uns in einer alten Jogginghose unterwegs. Das ging dann doch zu weit“, erzählt er.

Die großen Hersteller denken immer schon an morgen

Die großen Hersteller denken schon heute an morgen. Sind die Klubs und die Sportler offen für Neues, erleichtert das die Arbeit der Designer und Entwickler. Bei Adidas beispielsweise legen sie großen Wert darauf, ein Gleichgewicht zwischen Mode und Funktionalität zu finden. Es sollen Produkte geschaffen werden, die sowohl auf als auch außerhalb des Golfplatzes tragbar sind. Das ist ein Aspekt, auf den die Kundschaft Wert legt. Ein anderer ist das Umweltbewusstsein. Adidas hat das große Ziel, bis 2024 ohne Polyester auszukommen und stattdessen mit nachhaltigen Stoffen zu arbeiten. Die Menschen werden sich der Auswirkungen ihres Lebens bewusster. Und sie machen sich auch mehr Gedanken darüber, welche Rolle Mode dabei spielt.

 

 

Der Deutsche Golf Verband (DGV) selbst hat keine konkrete Kleiderregel festgelegt. „Sportlich, bequem und ordentlich” solle das Outfit sein. Es gelten die Regeln, welche von den Golfclubs in Bezug auf den Dresscode festgelegt worden sind. Im Allgäuer Golf & Landclub sind die Zeiten von Verboten und  Vorschriften ebenfalls vorbei. Lediglich ein kurzer Passus in der Hausordnung beschäftigt sich noch mit dem Thema Kleideretikette. Darin heißt es: „Die Kleidung der Nutzer hat dem sportlichen Niveau des Golfsports zu entsprechen.“ „Die Golferinnen und Golfer wissen schon, was sie auf dem Platz zu tragen haben. Dem Anlass entsprechend eben. Ins Schwimmbad geht man ja beispielsweise auch in passendem Outfit“, sagt Clubmanager Johannes Siemenczuk. In Ottobeuren gibt es freilich die ganze Bandbreite zu sehen. Traditionalisten in langer Karohose und unifarbenem Poloshirt. Und echte Paradiesvögel. Siemenczuk fügt einen entscheidenden Satz hinzu, seine ziemlich liberale Meinung: „Es muss auf dem Golfplatz auch modisch Platz sein für alles. Zur rechten Zeit und im richtigen Maß.“ 

Die Geschmäcker rund um die Welt sind verschieden

Die Geschmäcker sind verschieden. Der Amerikaner mag die Schnitte etwas lässiger und ist gegenüber einer Jogginghose für den Golfplatz stilistisch offener als die eher traditionelleren Kontinentaleuropäer. Noch größer sind die Unterschiede zwischen dem britischen und dem asiatischen Markt. Asiaten mögen es „bold“, also mit übergroßen Logos und gerne mal mit Goldapplikationen. In Großbritannien hingegen sind nicht nur die Farben gedeckter. Letztlich gilt bei den Designern aller großer Golfmarken immer: Funktionalität schlägt Form.